Spielszenen
Die folgenden Spielszenen sind nur ein Auszug aus dem Konzept des Kindergartens Pfiffikus. Gerne erhalten Sie ein ausgedrucktes, vollständiges Exemplar von uns!
Szene 1 „Versuch und Irrtum“ – Denken und Handeln
Vier Kinder beschäftigen sich mit einem bogenförmigen, durchsichtigen Plastikrohr: zwei Kinder halten es so, dass die beiden Enden den Boden berühren, die anderen zwei Kinder schlüpfen darunter durch. Die haltenden Kinder möchten nach geraumer Zeit auch durchgehen – sie lassen los und das Rohr fällt um: alle ärgern sich und sie kommen zu dem Ergebnis, dass das Rohr in die Erde gesteckt werden muss – zunächst versuchen sie es durch Schlagen, dann folgt die Idee zwei Löcher zu graben oder zu bohren. Schaufeln, Hacke werden organisiert.
Das erste Loch ist relativ einfach zu machen: zwei Kinder buddeln, zwei Kinder halten – das zweite Loch gestaltet sich schon schwieriger, da heißt es genau zu „berechnen“, wo das andere Ende des Rohres die Erde berührt, es bedarf verschiedener Einstichpunkte und wird immer wieder durch Umkippen unterbrochen. Doch auch dies kommt zu einem befriedigenden Ergebnis: beide Einstechpunkte scheinen zu stimmen, die beiden Enden versinken in der Erde und dennoch fällt das Teil immer wieder um.
„Hier hält es nicht“, ist die Feststellung; also erneute Versuche an einem anderen Ort. Jetzt gelingt ein kurzes Stehen des Bogens – große Freude, ja „hier ist es richtig“, bis das Teil wieder ins Liegen kommt. Manche Kinder geben resigniert auf, andere erinnern sich, dass es „schon ein bisschen gut“ war, was alle Kinder wieder zu ermutigen scheint.
Sie halten den Bogen, lassen los, nun mit der Erfahrung, dass er umfallen kann, sind also darauf gefasst und fangen ihn auf, ehe er wieder auf dem Boden liegt. Diese Handlung wird jetzt zum neuen Spiel – nicht die ursprüngliche Bewegung, selber durchzugehen und das Ziel, dass der Bogen selbständig stehen bleiben soll wird aufgegeben – jetzt geht es darum immer wieder das Teil vor seinem endgültigen Fall zu bewahren und die Kinder entdecken, dass die Zeit unterschiedlich sein kann, ja dass der Bogen fast am Boden liegend immer noch aufgefangen werden kann. Ein älteres Kind tritt hinzu mit der Feststellung: „der Schlauch muss mehr in die Erde“ – ein Kind greift dies auf und häufelt Erde um die beiden „Enden“.
Mit viel Anstrengung und gegenseitigen Anweisungen steht das Teil – Freude, Lachen – während dieser kurzen „Siegesfeier“ fällt das Teil wieder um – das scheint nun nicht mehr wichtig – für die Kinder war der Vorgang abgeschlossen. „Das Ding stand ja“ – zwei Kinder rennen weg, die beiden anderen Kinder entfernen den Schlauch und wenden sich ihrer neuen Tätigkeit, zu, die darin besteht gleichzeitig aus dem angehäufelten Sand jeweils eine Burg zu bauen.
Im freien Experimentieren und Konstruieren mit alltäglichem unstrukturierten Material haben die Kinder ein regelrechtes physikalisches Erkenntnisinteresse bekundet. Es zeigt wieKindergartenkinder vor allem auf der Handlungsebene lernen und dabei unterstützt der Raum mit den mobilen und frei interpretierbaren Spielmaterialien aktive Formen einer Lernkultur, die den Alltag zum Gegenstand des Lernens macht.
Szene 2: „Leben mit den Elfen“
Seit einiger Zeit verschwanden immer wieder irgendwelche Gegenstände, sei es eine Vase, eine Blume, ein Glitzerstein … – und auf der anderen Seite tauchten an den ungewöhnlichsten Ortenverschiedene Dinge wieder auf: z.B. hinter dem Sofa eine Schale mit Nüssen, im Blumentopf stecken Spaghettis, auf der Jahreszeitenfensterbank Bananenschalen, am Zitronenbäumchen hängen Gurkenscheiben. Niemand hatte beobachtet als die Dinge wegkamen, bzw. auftauchten. Für Kinder und Erwachsene gleichermaßen „geheimnisvoll“.
Irgendwann stellte sich heraus, dass dies die Aktivitäten von Emmas Elfen war, welche sich mit steigender Zahl bei uns in den Räumen breit machten. Emma ließ uns teilnehmen an ihrer Phantasiewelt. Es war deutlich wie „kostbar“ ihr die Wesen waren und täglich konnten wir Emmas neuen Geschichten lauschen.
Die Elfen wurden „offiziell“ im Kindergarten willkommen geheißen,bekamen ein „Lager“ zugewiesen, es wurden Regeln für das „Zusammenleben“ vereinbart und blieben mehrere Monate bei uns zu Gast, bis sie wieder von dannen zogen.
Nach dem Auszug teilte uns Emma augenzwinkernd mit: „und jetzt kommen die Streueichhörnchen!“
Manche Kinder schaffen sich „imaginäre Freunde oder Spielgefährten: Menschen, Tiere oder andere „Wesen“, mit denen sie sprechen und spielen. Sie tauchen auf, wenn das Kind zwei oder drei Jahre alt ist und bleiben manchmal über mehrere Jahre. Dies ist kein Grund zur Besorgnis, dass das Kind den Kontakt zur Realität verlieren könnte, sondern ist auch ein Zeichen dafür, dass sich die Vorstellungskraft des Kindes entfaltet. Ebenso wie die „So-tun-als-ob-Spiele“ mit richtigen „Requisiten“ können auch die unsichtbaren Spielgefährten den Kindern dabei helfen, die Welt besser zu verstehen, Kontrolle über sie zu gewinnen oder Ängste zu überwinden.
In seiner Phantasie kann das Kind ein absoluter „Herrscher“ sein, dessen Macht keine Grenzen hat. Wenn es dagegen beginnt, seine Phantasien im Spiel umzusetzen, merkt es sehr bald, dass die Wirklichkeit der Macht „selbst absoluter Herrscher“ zu sein, Grenzen setzt. Das Kind wird bald merken, dass selbst der in seiner Phantasie „mächtigste Kaiser seinen Thron“ nur so lange behaupten kann, wie er das Wohlwollen seiner „Untertanen“ besitzt, und dass er seinen Spielkameraden gegenüber nur dann den „Herrscher“ spielen kann, wenn diese dazu bereit und einverstanden sind. Derartige Einschränkungen gibt es für eine frei flutende Phantasie nicht.
Auch Phantasiespiele, in welchen das Kind so tut als wäre es der „mächtigste Held“ mit eigenen „magischen“ Eigenschaften, Wesen, die mutig und stark sind, von jedem bewundert werden, jedes Problem lösen können…, oder Wesen, die mit besonders „schlechten“ Eigenschaften ausgestattet sind und das Kind vortäuscht, andere zu töten und zu zerstören, sind sehr verbreitet. Die Kinder drücken hiermit ihre Gefühle von Angst, Machtlosigkeit und Unsicherheit aus und es hilft ihnen diese zu überwinden.
Szene 3 „Bewegtes Spinnen“
Drei Kinder beginnen im Spielzimmer mit Wolle Fäden zu spannen; von Regal zum Stuhlbein zur Türfalle…. – in kürzester Zeit gibt es kein Durchgehen mehr.
Ihr „Verspinnen“, wie sie es nennen weiten sie aus durch den Elementeraum bis ins Esszimmer. Jeder kleinste Knopf oder Haken dient als Befestigung – mehrere Male gehen sie diese Strecken hin und her, unzählige Meter von Wolle durchziehen den Raum.
Die Äußerung der Erzieherin, dass sie das „Spinnennetz“ vor der Abholzeit wieder entfernen müssten, beeinträchtigen weder ihre Freude, noch hindert sie die Kinder an der konzentrierten Weiterführung ihrer „Raumgestaltung“.
Das Netz wird immer dichter und lustvoll schlüpfen die Kinder während des „Weiterspinnens“ unter den Fäden durch oder steigen mit großen Schritten darüber. Diese Tätigkeit dauert über eine halbe Stunde.
Als der Zeitpunkt des Aufräumens kommt, schneiden die Kinder mit der gleichen Freude die Fäden auseinander, wie sie sie zuvor auch gezogen hatten.
Welche Elemente des Spiels für die Kinder im Mittelpunkt ihres Tuns standen ist reine Spekulation; das Beispiel verdeutlicht sehr schön die zahlreichen Elemente, die in diesem Tun vorhanden sind: das freudvolle Miteinander- die Bewegungsabläufe- wie durch das Gestalten des Netzes ein neues Raumgefühl erschaffen wurde- das sinnliche Spüren, wenn die Wolle durch die Hände gleitet.
Was wir auf jeden Fall erkennen können: den Kindern ging es nicht um ein „Endprodukt“, sie haben nicht auf ein Ergebnis hingearbeitet, das stehen bleiben soll , sondern vielmehr ging es um den Wegdes Entstehens. So wie ebenfalls die nächste Tätigkeit, das Schneiden, die Kinder als Handlung befriedigte.
Im Spiel des Kindes sind die Momente von Gegenwart und Zukunft miteinander vereint. Das Kind spielt Raum und Zeit. Es will nicht ein zukünftiges Ziel erreichen, sondern der Inspiration des gegenwärtigen Einfalls folgen. Doch indem es dies tut, übt es gleichzeitig seine sprachlichen, kognitiven, emotionalen und motorischen Kompetenzen.
Jedes Medium, jedes Werkzeug kann zu einem Mittel der Gestaltung werden.
Mit jeder Gestaltungsweise wird das wahrgenommene Stückchen Welt neu erlebt und in seiner Bedeutung für das Kind ausgelotet. Es entsteht ein vielfältiges und individuelles Bild der Wirklichkeit. Diese Vielfalt regt zum Denken an und ist auch die Grundlage für alle Abstraktionen.